Waldweg

Len zuckte mit den Schultern. Er kannte sich auch nicht aus. Wie auch? Er war ja noch nie im Leben hier gewesen. Aber so, wie er Yoko kannte, hätte sie im Keller nachgesehen. Auf dem Dach. Hinter einer dekorativen Zimmerpflanze und wäre nicht einmal ansatzweise auf die Idee gekommen, den Typen an der Rezeption um Rat zu fragen. Gut, würde er selbst auch nicht tun. Aber das lag daran, dass dieser einfach besoffen war und ihm unmöglich, das Gefasel des Mannes zu verstehen.
Dann verzog Len angewidert das Gesicht. „Lieber fresse ich dann doch Gras“, murmelte er, als Anspielung auf ihre sinnvolle Unterhaltung vor etwa vier Stunden. Wenn sie sich noch daran erinnern konnte: Hut ab! Wenn nicht: Tja… Goldfisch eben.
Verdammt! Pft… Die stört das gar nicht, dachte er sich, ein wenig mürrisch und starrte aus dem Fenster, das am Ende des Ganges war. Und es regnet wieder… Man hörte die dicken Tropfen gegen die Scheibe trommeln.
Ihre nächste Aktion erstaunte Len. So ziemlich. Es kam aus dem Nichts und war sowieso durch nichts vorhersehbar gewesen. Fast schon verstört starrte er gerade aus, als dann auch noch das „Küsschen“ folgte. Und nein. Er kam nicht auf den Gedanken, sie töten zu wollen.
Stattdessen stammelte er: „Jetzt aber Schluss mit weiteren, überflüssigen Zärtlichkeiten.“ Er blinzelte und kehrte mit einem Kopfschütteln zurück in die Wirklichkeit. Len sah sie noch ein wenig irritiert an, bevor er grinste. „Sonst trage ich dich ins Zimmer, fessele dich ans Bett und mache schlimme Sachen mit dir.“ Kurz sah er zu einem unbestimmten Punkt, den wohl nur er sehen konnte und fragte sich: Äh? Habe ich das gerade wirklich gesagt? Es schüttelte ihn, bevor er sich auch schon umdrehte und die Tafel musterte. Es dauerte nicht lang. „Da sind wir.“ Er patschte auf die Glasscheibe und zog eine Linie bis zur anderen Seite des Gebäudeplans. „Da ist 007.“
Er schüttelte erneut den Kopf. „Ich glaub, ich will mich noch draußen in einer Pfütze ertränken, geh also schon mal vor.“

Sie nickte. „Wie gesagt: Gras ist auf jeden Fall auch gesund.“, pflichtete sie ihm bei. Und erinnerte sich noch tatsächlich an solch unwichtigen Dinge, die sie mal gesagt hatte. Nur die wichtigen vergaß sie meist schneller.
Dann musste sie doch breit schmunzeln. Dass ihn die Aktion so sehr aus der Bahn geworfen hat….damit hatte sie doch nicht gerechnet. Aber ein Punkt für sie – mal wieder. Vielleicht sollte sie ml zum Zählen anfangen, wer denn vorne lag.
„Wirst du nicht schaffen.“, meinte sie trocken, lächelte ihn aber dennoch verschmitzt, gar herausfordernd an.
Dann nickte sie. „Sind wir also viel zu weit gelaufen….“ Danach ging sie auch schon los und hob die Hand noch kurz zum Abschied. „Viel Spaß. Aber erwarte nicht, dass ich zu lange im Zimmer bleibe. Hab ja noch was vor.“
Sie ging den Weg also wieder zurück In ner Pfütze ertränken ist genauso sinnlos, wie aus dem Kellerfenster zu springen., dachte sie sich kopfschüttelnd und war wieder bei den Zimmern 014 und 015 angelangt. Wenn sie die Zimmer richtig abzählte, müsste es das erste links im Gang sein. Aber wo waren dann die Zimmer von 001 bis 006? Die Logik von Gasthäusern, Herbergen und Hotels würde sie wohl nie in ihrem Leben verstehen.
Die Utsukushi stand vor der Tür und sperrte auf, ehe sie sich dann doch noch mal umdrehte, ob er ihr nicht doch gefolgt war.

Len winkte ihr kurz zu, als sie ging und folgte ihr, bis er aus dem Gang raus war, drehte dann aber ab, um aus dem Haus zu gehen. Der Typ an der Rezeption sah ihnen Beiden abwechselnd nach und war sichtlich verwirrt, lachte dann aber, als er meinte, eine mögliche Lösung gefunden zu haben. Der Zauberer wollte noch eine Show geben! Und die Sekretärin mochte nicht mehr.
Eine Weile stand Len einfach nur draußen, an einer Mauer gelehnt und ließ sich nass regnen. Noch waren keine tiefen Pfützen da, also ging ertränken noch nicht.
Noch ein wenig später hatte es Pfützen gebildet, aber der Selbsterhaltungstrieb seines Egos zwang ihn dazu, stehen zu bleiben, anstatt sich in die schlammige Pfütze zu werfen. Das war so peinlich, trauerte Len, bevor er sich auf den Weg machte, um das Zimmer zu suchen.
An der Zimmertür mit der 007 angekommen, klopfte er zögerlich an und rief:
„Nur eine Frage, Yoko: Ist da eine Badewanne? Ich hab’s in der Pfütze nicht geschafft. Außerdem müsstest du nachhelfen.“
Was ist denn bitte los mit mir? Ich habe den Verstand verloren! Er war kurz davor, seinen Kopf gegen die Wand zu rammen, beließ es aber dabei, tropfend vor der Zimmertür zu stehen und hilflos die Nummer anzusehen.

Als der Blonde nach draußen ging und nicht mit ins Zimmer kam. Zuckte sie kurz mit den Schultern. Er würde sich schon wieder abreagieren, oder was auch immer mit ihm los war.
Im Zimmer angekommen sah sie sich kurz alles an. Bis sie schließlich ihre Schriftrollen ausbreitete und sich alles zusammensuchte, was sie für ihren Handel brauchte. Geld und Drogen, die sie verkaufen und tauschen wollte.
Nachdem sie gerade fertig war, klopfte es an der Tür. „Ne Badewanne?“, rief sie zurück und sah noch einmal in das separate Badezimmer. Hatte es doch schon wieder vergessen, ob es eine Badewanne, oder Dusche war. Wieder zog sie sich eine Jacke an und ging an die Tür. „Ja, ist eine da.“ Sie legte ihren Kopf schief, als er pitschnass vor der Tür stand. „Will der werte Herr also doch hier rein?.“, meinte sie schmunzelnd und öffnete die Tür ganz, um an ihm vorbei nach draußen zu gehen.
„Ich bin jetzt erst noch etwas erledigen...aber der Schlüssel ist meiner.“ Sie warf den Zimmerschlüssel in der Hand hoch, fing ihn wieder auf und steckte ihn weg. Denn von außen würde sie sonst nicht mehr rein kommen….selbst wenn er nicht absperren würde.
„Also, bis dann.“
Sie lief raus in den Eingangsbereich und hatte Glück, dass dort Schirme waren von Leuten, die sie irgendwann mal vergessen hatten. Sie erwischte einen dunkelgrünen und ging nach draußen.

Len seufzte auf. „Gut. Danke“, sagte er nur und ging in das Zimmer hinein, während sie parallel hinausging. Die Sache mit dem Schlüssel registrierte er kaum, winkte nur ab und meinte: „Have fun.“ Er schloss die Tür hinter ihr und warf seine nasse Tasche in eine Ecke, nur um in ihr dann nach Ersatzklamotten zu fischen und sich auf ins Bad zu machen. Wozu brauchst du Kleidung? Du willst doch sterben, sagte er sich und schüttelte ohne Unterlass mit dem Kopf, während er warmes Wasser einlaufen ließ.
Len sah ab und an in den Spiegel, sein eigenes, trostloses Gesicht, das immer noch nicht wieder vollends gesund aussah, starrte ihm entgegen. Du bist ein Trottel, sagte er sich und seufzte.
Schließlich wurde das Ertränk-Bad nur zu einem Entspannungs-Bad. Er rubbelte sich die Haare trocken, kämmte sie und warf sich dann in das hübsche Bett.
Rin wäre enttäuscht von dir, sagte er sich, kannst dich nicht beherrschen!
Len streckte einen Arm nach seiner Tasche aus, bekam einen Riemen zu fassen und zog sie näher ans Bett, um nach einem Zettel zu suchen. Dort schrieb er „Kill me“ drauf, und klebte ihn sich selbst auf den Rücken, nur um sich erneut auf den Bauch zu legen und den Kopf auf den Armen zu betten.
Er schlief wohl ein – und verpasste das Abendessen :/

Yoko lief die Straßen entlang. Hatte ein bestimmtes Ziel und stand vor dem letzten Wasserrad des Dorfes. Man hatte von Weitem schon einige zwielichtige Leute dort hingehen und stehen sehen.
Das Verhandeln für sie verlief gut. Hatte sie doch mehr Geld bekommen, als sie anfangs erwartet hatte. Gut, dass sie in Iwa war und dort was bekommen hatte, das diese Leute noch nicht kannten. So lief eben das Geschäft…jeder der neue Sachen brachte, wurde umringt von den Leutchen, während man wirklich gute Angebote bekam.
Letztendlich ging sie zufrieden grinsend wieder in die eigentliche Stadtmeile und kaufte sich einiges an Kleidung und Proviant. Nicht zu vergessen einen flauschigen dunkelroten Schlafsack. Sie grinste breit und musste kurz an Len denken, ob sie ihn damit dann schön ärgern konnte. Dann fiel ihr aber ein, dass sie etwas vergessen hatte. Noch einmal zurück zum Schwarzmarkt und sie kaufte sich dort eine Spitze für einen Speer. Wenn ich damit gekillt werden würde, wäre es wirklich Ironie…, dachte sie sich, als sie über die scharfe Seite fuhr und sich schnitt. War der letzte auch so scharf? Sie schüttelte nachdenklich den Kopf und kam wieder im Gasthaus an. Es war kurz nach halb neun, also würde sie wohl noch etwas zum Essen bekommen. Hoffte sie zumindest.
Sie kam in das Zimmer und blinzelte verwundert, als sie das Licht anmachte und Len dort einfach nur im Bett lag. Die Utsukushi ging zu ihm rüber und sah den Zettel, der nur noch halb auf ihm lag. „Du bist so doof.“, knurrte sie kopfschüttelnd und legte den Zettel ans obere Eck des Bettes, ehe sie die Speerspitze durch diesen und in das Bett hinein rammte.
Erst danach legte sie ihre Sachen ab und ging wieder raus, um Essen zu gehen.

Len schreckte auf, als die Speerspitze sich in das Holz bohrte und ein Schock durch das ganze Möbelstück fuhr. Er stützte sich auf die Ellbogen und sah Yoko noch aus der Tür verschwinden. Müde blinzelnd richtete er sich schließlich ganz auf und trottete müde aus dem Zimmer, schloss die Tür leise und folgte ihr dann, sich über die Augen reibend.
„Du bist lausig im Zielen…“, murmelte Len und gähnte einmal auf. Nacheinander piekte er ihr in verschiedene Stellen am Rücken. „Im Nacken. Das hätte ich nicht einmal gemerkt, dass es mit mir aus ist. Zwischen den Schulterblättern. Ich hätte dich noch entsetzt anstarren können. Verschiedene, innere Organe – ich wäre elendig vor deinen Augen verblutet.“ Er hielt kurz inne. „Und du triffst ausgerechnet den Bettpfosten?“
Der Typ an der Rezeption war mittlerweile mit dem Kopf auf dem Tresen aufgeschlagen. Aus seiner Nase sickerte sogar Blut! Naja, der hat sich ins Koma gesoffen… der merkt das nicht…
„Was hast du eigentlich so lange gemacht?“

Als Tür hinter ihr doch wieder aufging und er ihr folgte, musste sie grinsen. „Sicher doch. Bin schon so ausgehungert gewesen, dass meine Handaugenkoordination nicht mehr hingehauen hat. – Schmerz. Schmerz. Schmerz.“, meinte sie monoton auf sein gepiekse. Natürlich nicht ernst gemeint. Aber dennoch.
Dann zuckte sie aber mit den Schultern. „Nimm es einfach hin, ja?“ Die Frage war rhetorisch gestellt. Vor allem… er hätte es wissen müssen, dass sie ihn nicht so umbrachte. Allein deshalb, weil doch…wie viel hatte er ausgerechnet? Über 80% ihres Lebens momentan noch mit ihm zu tun hatten? Ja, kam wohl ungefähr hin.
Dass der Kerl an der Rezeption auf den Tresen lag, war ihr nicht aufgefallen. Auf so etwas achtete sie einfach nicht.
„Ach…wird der Herr etwa eifersüchtig, weil ich so lange weg war?“, fragte sie ihn breit grinsend schüttelte dann aber den Kopf: „Ich hab es dir doch gesagt gehabt. Geschäfte erledigen. Nette Pillen kaufen und verkaufen. Einen rosafarbenden, flauschigen Schlafsack besorgen. Solche Sachen eben.“ Sie grinste vor sich hin und kam in den Essbereich. Viele Gäste hatten sie wohl heute nicht. Nur vereinzelt saßen hier und da ein paar Leute.
Yoko setzte sich an einen freien Tisch am Fenster. Überschlug ihre Beine und sah nach draußen in die Dunkelheit. Der Regen schien ja noch stärker geworden zu sein…
Eine junge schwarzhaarige Frau kam zum Tisch. Und Yoko musterte sie unweigerlich. 18? 19? Ja…würde hinkommen.
„Wissen sie denn schon, was sie möchten?“, fragte sie zaghaft und Yoko legte ihren Kopf schief, während sie weiter musterte. Leute verwirren war schon was Lustiges! Dann schüttelte sie aber den Kopf. Immerhin lag hier keine Speisekarte, oder ähnliches. Wohl hing es irgendwo aus, wo sie mal wieder vorbeigerannt war.
„Also ich könnte euch Chahan, oder den Glasnudelsalat mit Surimi empfehlen.“ Sie kam leicht ins Stottern und Yoko nickte. „Das zweite für mich, bitte.“ Dann wandte sie ihren Blick wieder nach draußen.
Die Bedienung sollte man vielleicht nicht ganz so verwirren, wenn man nachher nicht das ganze Essen auf der Kleidung haben wollte.

„Muss ich wohl“, erwiderte Len nur und warf dem armen Kerl an der Rezeption noch einen mitleidigen Blick zu. Der Typ würde wohl so lange seinen Job nicht mehr behalten. Jedenfalls nicht, wenn man eine gute Geschäftsführung hatte.
Erst dann widmete er sich wieder Yoko. Gespielt schmollend legte er erst die Arme um sie und dann den Kopf auf ihrer Schulter ab. „Lass mich nie-nie wieder allein“, murmelte er, bevor er sie auch schon wieder losließ und sich den Speisesaal ansah. Leer. Also, fast… Nur ein paar verstreute Einzelpersonen, selten eine Gruppe aus mehr als zwei Personen.
„Ach so. Ja. Der pinke, flauschige Schlafsack. Du musst mich doch wieder allein lassen“, sagte Len trocken und setzte sich ihr schließlich gegenüber. Er starrte auf die Plastikblume, die in einer blauen Glasvase in der Mitte des Tisches stand. Sie war ebenfalls pink. Schwul…
Erst als die Bedienung kam, sah er auf. Da sie mit Yoko sprach, blieb ihm erst einmal die Rolle des schweigenden Beobachters. Niedlich war sie ja. Und nicht so alt wie seine jetzige Begleitung. Vielleicht könnte er die Nukenin knebeln und die hübsche Schwarzhaarige verführen, mit ihm durchzubrennen? Zumindest bis zum nächsten Dorf.
Nachdem er blinzelnd wieder in die Realität gekommen war, antwortete er: „Chahan klingt gut. Sehr nett von Ihnen.“

Dass das nie-nie wieder allein lassen nicht ernst gemeint war, war ihr klar. Aber trotzdem musste sie lachen. „Na, dann ist es ja gut, dass es keinen pinken gab. Dunkelrot.“, meinte sie wieder grinsend und sah zu den in gedankenversunkenen Len, der die Bedienung ebenfalls gemustert hat. DAS würde gleich noch einen Kommentar geben.
Die junge Frau verbeugte sich und verschwand wieder. Stolperte kurz etwas, als sie in Richtung Küche lief.
„Hmmmmmm?“, sie grinste ihn breit an und stützte ihren Kopf in die Hand. „So was niedliches aber auch, was?“, fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.
„Aber ich muss dich da leider enttäuschen….die hat nen Freund.“ Sie zwinkerte ihm zu. Ganz sicher konnte sie sich nicht sein. Aber es sprach doch mehr als für sich.
„Rechte Seite des Halses. Zu viel Puder. Lässt die Haut schön matt wirken und verdeckt so manche Flecken.“ Da sprach sie aus sogar aus Erfahrung. Dann blickte sie wieder nach draußen und beobachtete das Treiben. „Wir werden noch absaufen.“, murmelte sie und legte die freie Hand auf ihren Buch, der knurrte. Sie hatte wirklich Hunger. Hab ich heute Morgen überhaupt etwas gegessen?, fragte sie sich und tippte die pinke Plastikblume an. „Weißt du, dass pink bei Blonden richtig gut aussieht? Steck sie dir doch in deine Haare.“, forderte sie ihn lachend auf. Absurder Vorschlag, aber anderes Thema.
Dann kam die Bedienung auch schon wieder an den Tisch. Mit Getränken. Sie stellte jedem ein Glas Sake hin. „Das Essen müsste auch gleich kommen. Haben Sie bitte noch ein wenig Geduld. Was führte sie denn in unser bescheidenes Städtchen?“, fragte sie freundlich. Anscheinend hatte sie sich von vorhin wieder beruhigt und wollte ein bisschen Plaudern. Viele Leute waren ja nicht da, die ständig etwas wollten.
„Ach, wir wollten die schönen Wasserräder sehen. Und er ist Zauberer und so. Wollte auftreten.“
„Zauberer? Was können Sie denn?“, fragte sie interessiert nach.
Während Yoko wieder vor sich hin grinste. Sie war gespannt, was er sich denn nun einfallen ließ.

„ Stimmt“, antwortete er lächelnd und sah der Frau hinterher. Ihre Tollpatschigkeit hatte etwas, was wohl bei Vielen den Beschützerinstinkt hervorrief. Jedenfalls sahen auch noch einige, andere Kerle zu ihr, die gerade in die Küche stolperte. Eine Frau kippte ihrem Mann ihr Getränk ins Gesicht und stöckelte davon.
Erst, als Yoko wieder mit ihm sprach, wandte Len sich zu ihr um. „Und?“, fragte er mit einem süffisanten Lächeln. Das war doch kein Hindernis. Jedenfalls war es noch nie eins gewesen. Denn wie sagte er so schön? Was er wollte, bekam er. Manchmal, da war ihm ein wutentbrannter Betrogener hinterhergestürmt, aber in einer Gasse hatte er diese immer überzeugen können, dass das Leben wichtiger war, als eine lasche Rache.
Sein Blick folgte ihrem aus dem Fenster. „Hoffentlich kannst du schwimmen“, meinte Len darauf trocken und wandte sich der Plastikblume zu. Sie erntete einen vernichtenden Blick und er nahm ein Plastikblütenblatt zwischen Daumen und Zeigefinger, und begann das Ding durch Katonchakra zum Schmelzen zu bringen. „Ach nein… Sie ist verwelkt… So ein Pech aber auch…“, murmelte Len und ließ von der armen Plastikblume ab.
Er faltete brav die Hände auf dem Schoß, so, als wäre nichts gewesen, als die Bedienung kam und ihnen Sake servierte.
Auf die Frage antwortete er trocken: „Ich stecke meine reizende Assistentin in eine Kiste und zwinge sie durch meine magische Kraft dazu, zu verschwinden. Aber das geht nur, wenn sie gute Laune hat und mich nicht umbringen möchte. Ach, und ich kann Gedankenlesen. Kostprobe gefällig?“

„Ich wollte es nur gesagt haben.“, meinte sie und spiegelte sein Lächeln. Es stimmte schon: So etwas war kein wirkliches Hindernis. Oder eben nur ein kleines. Die wenigsten waren wirklich so treu, wie sie sich dem anderen immer gaben.
„Natürlich kann ich schwimmen. Und wenn ich keine Lust hab, häng ich mich einfach an dich dran.“ Wieder zwinkerte sie ihm zu und besah sich das Blütenblatt in seiner Hand.
„Wie traurig aber auch. Warum lässt du deine Wut an so etwas wehrlosem aus?“ Sie schüttelte gespielt mitleidig den Kopf.
Irgendwie hätt ich ihn vorhin doch umbringen sollen., dachte sie sich mit einem zuckersüßen Lächeln, als sie ihm zuhörte.
„Umbringen?“, fragte sie irritiert blinzelnd und sah von einem zum anderen. „Achso, seid ihr verheiratet?“
Bei dieser Frage rutschte Yokos Kopf ihr aus der Hand ab und sie prustete los. „Niemals.“, winkte sie ab und wischte sich über die Augen. …..Ich fühl mich so gemobbt. Dasselbe meinte Yuma auch., erinnerte sich die Utsukushi wieder daran, ehe sie weiterzuhörte.
„Verstehe. Aber Gedankenlesen? Ich glaub zwar nicht dran, aber sicher doch. Was denke ich?“ An was denke ich denn am besten… Ah, ich stell mich einfach vor. Ich bin 19 Jahre alt, heiße Ayame äh….meine Lieblingsfarbe. Hm…ich glaub das wäre dann mal grün und blau. Oh…ich schlag dich grün und blau haha.

„Danke für die Information“, meinte Len und grinste sie mit schiefgelegtem Kopf an. „Aber du weißt ja, dass du die Einzige für mich bist, nicht wahr, Yoko-chin?“ Vergnügt sah er zu ihr und meinte noch: „Hach, wie romantisch. Dann gehen wir unter. Aber synchron Wasser-Einatmen, okay? Dann ertrinken wir wenigstens gemeinsam.“
Es wurde einfach zurück gemobbt. Aber das war ja in ihrer eigenartigen Zweckgemeinschaft so. Sie disste ihn. Er disste zurück. Sie sah darin ihren Lebensinhalt. Er eine nervige Qual. Aber wenigstens gestaltete es den Alltag.
Die Sache mit der Plastikblume ließ Len unbeantwortet. Er wollte lediglich jeden weiteren Kommentar zu pink und Blumen und seiner Person unterbinden.
Stattdessen sah er zu, wie Yoko sich erst einmal die Lunge aus dem Leib lachte. Er sah sie nur ein Weilchen an und seufzte dann, bevor er sich der Bedienung zuwandte.
„Halt, halt, das funktioniert so nicht. Das wäre ja ziemlich unspektakulär und die Leute bezahlen für eine Show“, meinte Len, stand auf, um sich vor der Frau zu verbeugen und lächelte sie an, bevor er ihre Hand nahm und sagte:
„Denken Sie jetzt bitte an den schönsten Tag in ihrem Leben. Ich werde Ihnen sagen, was dort passiert ist…“ Natürlich bekam er ihre Gedanken noch mit und seufzte innerlich auf. Die ist ja genauso drauf, wie Yoko…Und fügte deswegen an: „… bitte, Miss Ayame.“
Die Tatsache, dass auf ihrem Schildchen auf der Bluse nur A. Takeshi stand, ließ ihn wenigstens etwas Glaubwürdigkeit rüberwachsen.

Yoko war nicht mehr großartig zum Antworten gekommen. Schon ärgerlich so etwas. Sonst hätte er wieder einen bissig –äh netten Kommentar erhalten. Stattdessen beobachtete sie das Szenario.
„Ah, verstehe. Entschuldigen Sie. Und Bezahlung? Ich denke, dass es sich einrichten ließe, wenn wir Ihnen Rabatt gewähren.“, meinte sie lächelnd. Wurde dann aber sichtlich nervös, als Len aufgestanden war. Er ist größer, als man meint…, stellte sie fest und sah auf ihre Hände. Oh mein Gott ist das peinlich…was soll ich nur machen?
Dann gab er ihr aber auch schon eine Anweisung. „A-An meinen schönsten Tag?“ Sie fiel wieder ins Stottern und wurde noch röter, während sie (haha) an ihre letzte Nacht dachte. Einen Mann. Sex. „Fuah.“, fiepte sie auf und legte beide ihre Hände vor ihr Gesicht. Schüttelte sich kurz und trat von einem Fuß auf den anderen.
An was sie gedacht hat ist selbst mir klar und ich kann keine Gedanken lesen. Aber soll sie ihn nur mobben, lachte Yoko innerlich auf.

Len zuckte mit den Schultern. „Das Erstaunen in den Augen des Publikums ist Lohn genug“, meinte er, warf einen Blick zu Yoko, grinste. „Aber wenn die Berechnungen meiner himmlischen Assistentin stimmen, dann sind wir knapp bei Kasse. Also geht das mit dem Rabatt in Ordnung.“
Die Hand in seiner Rechten wurde schwitzig, je nervöser Ayame wurde, desto schwerer war es, ihre Hand auch festzuhalten. Er warf ihr einen aufbauenden Blick zu. „Keine Sorge. Nicht alles, was groß ist, ist automatisch jemand, der dir den Kopf abbeißt. Und Ihnen muss gar nichts peinlich sein. Sehen Sie sich als Teil eines großen Kunstwerkes!“ Dafür, dass Len eigentlich immer der verstohlene Typ war, der sich im Hintergrund hielt und wenig sprach, fühlte er sich schon fast geborgen, in seiner neuen Rolle als Zauberer und Gedankenleser. Aufmerksamkeit war eben doch manchmal ganz nett.
Schließlich, nach ihrem leicht verstörenden Gedanken, entzog sie ihm ihre Hand und Len seufzte kurz auf, schloss die Augen, um sich zu beherrschen und um nachzudenken. Es dauerte nicht lang, da legte er freundschaftlich eine Hand auf die Schulter Ayames, bevor er lächelnd verkündete: „Diese Frau hat meine Anweisung nicht ganz verstanden, aber das macht nichts! Anstatt an ihren schönsten Tag zu denken…“ Len lächelte schelmisch. „Hat sie einfach an ihre schönste Nacht gedacht. Hoffentlich wissen Sie, wie er heißt, miss Ayame.“ Er zwinkerte ihr zu und verbeugte sich vor seinem Publikum, das nach und nach begonnen hatte, zuzusehen und nun verstört in ihre Richtung sah. Da allen irgendwie klar war, was er meinte und ihre Röte für sich sprach, glaubten sie ihm sogar. Wiiiie praktisch. „Applaus für Miss Ayame!“, sagte der Junge laut und das Publikum applaudierte auch. Womit er niemals gerechnet hatte. Er warf einen Blick über Ayames Schulter, wo ein Koch stand und wütend zu der Bedienung starrte.
„Und mein magischer Spürsinn sagt mir, dass das Essen fertig ist.“ Mit den Worten verbeugte er sich erneut und setzte sich wieder.

„Hm.“, gab Yoko nur kurz von sich. Ihr war aus irgendeinem Grund nicht ganz so zu sprechen zumute. Entweder es lag daran, dass sie Hunger hatte, müde war, es letztendlich doch ziemlich langweilig fand, wo sie nun endlich wusste, wie seine Fähigkeit funktionierte, oder aber es lag an etwas ganz anderem, das sie selbst noch nicht wusste.
„O-oh…ja, sicher weiß ich das.“ Sie wurde noch röter und verbeugte sich ebenfalls kurz, ehe sie zum Koch hechtete.
Yoko beobachtete wieder weiter den Regen auf der Straße. Er schien ja wirklich gar nicht aufhören zu wollen... Sie seufzte fast schon resigniert und hatte eine Antwort! Sie war wegen des Wetters depressiv und wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Glaubte sie zumindest.
Dann kam die junge Frau aber mit zwei Schüsseln wieder zurück und setzte ihnen ihr Essen vor. „Guten Appetit.“ Sie verschwand wieder in der Küche, schien wohl immer noch Ärger zu bekommen, da sie wieder lange drin war. Oder sie musste sich wieder selbst von dem Erlebten fangen.
„Itadakimasu.“, murmelte die Utsukushi und begann ihr Essen zwischen ein paar Schlucken Sake runterzuschlingen.

Len lachte, genau wie ein paar vereinzelte Personen aus dem Publikum, auf und sah der jungen Frau noch ein wenig hinterher, bis er sich wieder vergnügt zu Yoko umwandte. „Du hattest Recht, sie hat gestern wirklich nette Dinge mit ihm angestellt. Da wird man glatt neidisch“, sagte er, immer noch breit schmunzelnd und warf einen Blick auf die Straße, wo sich das Wasser mittlerweile wirklich türmte. Wenn man hinausging, würde man sicher knöcheltief in der Pampa hängen. Len entschied sich dazu, falls er heute mal wieder einen kleinen Gehirnaussetzer hatte, wirklich in dieser eindeutig großen Pfütze zu ertrinken. Einfacher wäre es nun auf jeden Fall.
„So wortkarg? Mochtest du meine Show nicht?“, fragte Len schließlich, als sie kein Wort an ihn richtete, nicht einmal, um einen bissigen Kommentar abzulassen. Ach… ist das jetzt umgekehrtes Spiel? Ignoriert SIE jetzt MICH? Nicht, dass es ihn großartig störte… Schließlich kam da gerade Ayame wieder! :D
„Danke sehr, junge Lady“, meinte Len und zog sich sein Futter näher heran. Eine lautstarke Unterhaltung in der Küche war wohl im ganzen Gasthaus zu hören. Tja, Len… Hast du mal wieder Unglück gesät. Nicht nur, dass du sie vor der ganzen Meute bloßgestellt hast..., nein, jetzt hat sie auch noch ihre Arbeit vernachlässigt… Du bist ja so ein böser Junge. Und dennoch grinste er.
„Lass es dir schmecken – und pass auf, dass du nicht dran erstickst. Und dieses Mal meine ich es ernst. Genieß dein Essen, Yoko.“ Len beobachtete sie kurz mit gehobener Augenbraue, begann dann aber mit seinem eigenen Essen. Nur weil sie das Essen herunterschlang, musste er ja nicht ebenfalls fressen, wie ein Schwein…

Sie seufzte auf und schenkte ihm einen allesvernichtenden Blick, als er sie etwas fragte. „Und natürlich hatte ich recht. Auf irgendeinem Gebiet bin selbst ich wissend.“, knurrte sie und aß weiter. Beziehungsweise schlang es weiter runter. Leerte ihr Glas Sake und schnappte sich auch das von ihm, um es halb auszutrinken. „Nichts für kleine Kinder.“ War ihre Begrünung darauf.
„Wenn du es so betonst, kommt da eher das genaue Gegenteil rüber.“ Sie gähnte und aß nun doch etwas langsamer. Hatte sie schon dreiviertel verschlungen. „Ich mag das Wetter nicht.“, nuschelte sie mit vollem Mund und schenkte der lautstarken Unterhaltung keine Beachtung. Wäre nicht das erste Mal, dass in einer Küche diskutiert wird. Es war eigentlich sogar an der Tagesordnung.
Sie seufzte auf und legte die Stäbchen weg, als sie fertig war. Tief atmete sie durch und sah zu ihm rüber, während sie seinen Sake weiter trank. Alkohol ist was Schönes. Und hat den Drang ihn zu schlagen unterdrückt., dachte sie sich nun doch wieder grinsend.

Len hob abwehrend die Hände. „Ist ja gut, ist ja gut!“ Und er fragte sich, was er denn falsch gemacht hatte. Dementsprechend legte er den Kopf schräg und musterte sie forschend. Aber außer der Tatsache, dass sie ziemlich mürrisch und anscheinend eingeschnappt war, zeigte sich nichts. Zwar war sie öfters merkwürdig schlecht drauf, aber noch nie hatte sie aufgehört, wie ein Wasserfall zu reden. Und aus irgendeinem Grund machte diese Tatsache Len nervös.
Er beobachtete still, wie sie ihm einfach sein Glas Sake abnahm und blinzelte ein paar Mal verwirrt, bevor er mit den Schultern zuckte und sich wieder seinem Futter widmete. Lass ich sie einfach rumzicken… Vielleicht ist sie dann nachher einsichtig und ich darf auf dem Boden schlafen – und werde nicht hochkant aus dem Fenster gekickt…
Ein weiterer Blick aus dem Fenster. „Nun, dann interpretiere es eben, wie du magst. Und… ich mag Regen. Da konnte ich mich sogar in meiner Kindheit mal zurücklehnen und mir einen schönen Tag machen.“
Was richtig war! Bei solch strömendem Regen hatten sie nicht oft trainiert, sondern manchmal sogar frei gehabt. Manchmal, okay, da hatten sie für den Notfall trainiert, ein Shinobi musste sich eben auf das Wetter einlassen. Aber da das Krankheitsrisiko so stieg, wurde es meist unterlassen.
Len stocherte ein wenig abwesend in seinem Essen herum. „Zwar habe ich sozusagen die ganze letzte Woche frei gemacht…, aber ich wäre trotzdem für einen Entspannungsurlaub…“, seufzte er und begann wieder damit, sich das Zeug in den Mund zu schieben. Immerhin hatte sich jemand extra die Mühe gemacht, es für sie zu kochen.
„Meinst du Ayame wird gefeuert und man kann sie anheuern?“, fragte er schließlich, da ihm kein sinnvolleres Gesprächsthema einfiel.

„Wie man’s nimmt. Bei Regen kann man aber auch nicht so gut trainieren. Und trainieren ist wichtig.“, entgegnete sie ihm und fuhr sich durch die Haare. Sie mochte Regen wirklich nicht. Wie oft waren dadurch schon geplante Dinge ausgefallen? Früher auch Verabredungen zum Shoppen. Es war einfach etwas, was sie wirklich nicht mochte.
Dann hob sie aber eine Braue. „Ein Tag Entspannungsurlaub reicht. Oder, bis der Regen wieder nachgelassen hat.“, meinte sie ernst und sah ihn wieder an. „Keinen solchen Hunger, hm?“, fragte sie, als er fast schon lustlos im Essen herumstocherte und langsam aß.
Dann stellte sie das Glas aber auf den Tisch und stand auf. „Frag doch nach. Ich geh jetzt schlafen, werter Zauberer. Lauf einfach durch die Wand.“ Bei diesen Worten war doch wieder ein Anflug eines richtigen Lächelns auf ihren Lippen und sie ging los.
Als sie vor der Tür stand schüttelte sie kurz ihren Kopf. „Ich frag mich echt, was los ist. Bestimmt bekomm ich meine Tage.“, grummelte sie leise und sperrte die Tür auf und verschloss sie von innen.
Sie ging zu ihren neuen Vorräten und zog sich ein schwarzes längeres Nachthemd an. Kurz blieb sie unschlüssig vor dem Bett stehen, ob er vielleicht gleich anklopfen würde. Dann zuckte sie aber mit den Schultern und zog sich einen Stuhl an das Fenster, öffnete es und sah hinaus. Alles was sie sah, war Wiese und Wald. Fast schon richtig eintönig.
Das Geräusch des Regens tat sein übliches, dass sie schließlich in einen Halbschlaf fiel.

Len lächelte. „Und DAS, meine Liebe, ist der springende Punkt“, sagte er amüsiert und deutete mit den Stäbchen auf sie, bevor er mit den Schultern zuckte. „Mag wichtig sein, aber manchmal braucht man eine Auszeit.“
Es war wie eine Art Ritual unter ihnen gewesen, dass sie sich um die Tageszeitung gestritten hatten, um sie schließlich auseinander zu fleddern, nur um an die Wettervorhersage zu kommen. ‚Morgen soll es stürmen! Morgen soll es regnen! Ein Segen!‘, hatte das Mädchen mal fröhlich gerufen – Shinjiro hatte sie gehört und dafür hatte sie zwei Stunden lang mit dem Baum- und Wandlaufjutsu kopfüber an einem Ast kleben müssen. Irgendwann war sie so erschöpft gewesen, dass sie einfach gefallen war und sich den Arm gebrochen hatte. Ein herber Rückschlag in ihrem Training – und dennoch hatte es schlussendlich zu einem Unentschieden zwischen ihnen gereicht, als ein paar Wochen später die Geninprüfung begonnen hatte… Len schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich stattdessen auf das Essen. Es war eigentlich auch total lecker, für so eine Kaschemme, in der sie gelandet waren. Aber irgendwie schlug es ihm auf den Magen, dass sie so eigenartig war. Er wollte kein blaues Wunder erleben. Und blieb misstrauisch.
„Wenn du meinst… Du kannst ja gern dann schon mal loslaufen“, sagte er und stützte das Kinn in eine Hand, aß weiter und blickte sie nicht an. „Also ich finde das Zimmer schön, das Personal nett und das Essen lecker…“ Ob sie irgendetwas gegen das Essen hatte? Oder ob sie einfach sauer auf ihn war? Aber was habe ich denn getan? Ich habe in der letzten Zeit kein einziges Mal gesagt, sie wäre dumm… Ich habe nicht gesagt, dass ich sie töten will… Ich habe nicht einmal etwas zu ihrem Alter gesagt… Len war absolut ratlos. Ihm fiel nicht ein, was er falsch gemacht haben sollte.
„Hunger hält sich in Grenzen“, stimmte er ihr schließlich zu, aß aber weiter. Er wollte es nicht kalt werden lassen. Und mitten in der Nacht von einem knurrenden Magen geweckt werden, das wollte er nun auch wieder nicht. Schließlich brauchte er seinen Schlaf zur Erholung, wenn sie gleich schon wieder weiter reisen wollte. Vor einer Woche dem Tod entronnen… und schon wieder rastlos…
Dann grinste er. „Mach ich. Und wenn, dann laufe ich gegen die Wand. Du erkennst mich also an dem dumpfen Knallen und einem winselnden Aufschrei.“
Er blieb noch eine ganze Weile dort sitzen und leerte schließlich die Schüssel bis zum Boden. Da er von der Würze Durst bekam, hob er den Arm und ließ sich von Ayame etwas zu Trinken bringen. Nach und nach verschwanden die Gäste in ihre Zimmer. Niemand ging raus, dazu war das Wetter einfach zu schlecht. Als der Koch grunzte, er würde nun gehen, und dass Ayame gefälligst das Geschirr noch machen sollte, zuckte Len unweigerlich zusammen. Er war zu gedankenverloren gewesen, schließlich dachte er immer noch darüber nach, was er genau mit Yoko angestellt hatte. Aber jegliche Gedanken an diese Frau lösten sich in Luft auf, als Ayame auch noch Teller fallen ließ und sich einiges an Scherben auf dem Boden verteilte.
Zwar hatte er Junge sich vorhin eindeutig über die hübsche, junge Frau amüsiert, aber das bedeutete ja nicht, dass er herzlos war. Schließlich rang er sich dazu durch, ihr beim Scherben aufsammeln zu helfen, schließlich hatte er keine Lust, Yoko und ihrer Laune zu begegnen.
Zwar war Ayame immer noch nicht wirklich von ihm und seiner Anwesenheit angetan, aber schließlich, nachdem die Küche – auch dank seiner Hilfe – blitzblank war, ließ sie sich dazu überreden, mit ihm noch ein Gläschen Sake zu trinken. Sie saßen an dem Fensterplatz und unterhielten sich über dies und das.
Um ein Uhr morgens ging das Licht aus. Anscheinend wurde hier Strom gespart. Ayame erklärte ihm, dass die Zimmer zwar noch über Strom verfügten, aber solch große Räume in der Nacht ausgeschaltet wurden, weil es zu viel kostete und auch nicht gebraucht wurde.
Als Len schließlich aufstand, fragte sie ihn noch, wie genau er das mit dem Gedankenlesen anstellte, aber er erklärte ihr mit einem Zwinkern, dass es sein Geheimnis wäre. Sie verabschiedete sich, wohl doch etwas schweren Herzens und verließ langsam den Raum. Len sah ihr hinterher, biss sich natürlich auf die Lippen, weil das wirklich eine nette Partie gewesen wäre – aber er blieb nicht lang allein. Ayame kehrte nämlich Hals über Kopf zurück.
Und das ist eigentlich schon fast die ganze Geschichte. Den Rest darf sich der fantasierende Mensch denken. Nur so viel soll gesagt sein: um vier Uhr morgens lehnte Len an der Wand neben der Zimmertür 007 und schlief – höchst zufrieden – mit angezogenen Knien.
Er bekam eben doch immer das, was er wollte.

Die Utsukushi schlief lang und fest – auch wenn sie gegen Mitternacht vom Stuhl gefallen war und ins Bett gekrabbelt war. Nun gegen elf Uhr vormittags wachte sie auf. Zerstreut und immer noch totmüde. Hatte sie doch letztendlich schlecht geschlafen. Sie hatte geträumt und wollte nun wirklich nicht darüber weiter nachdenken, weshalb sie aufstand und sich ein Bad einließ.
Sie zog sich aus und sank bis auf die Nasenspitze hinein. Draußen regnete es immer noch leicht und sie schob es darauf, dass sie deshalb nicht früher aufgewacht war.
Es verging eine gute Stunde, bis sie frisch gebadet, abgetrocknet und neugekleidet im Raum stand und ihre Sachen zusammenraffte. Regen hin oder her, sie musste hier raus! Und selbst wenn das nur bedeutete, dass sie in eine Kneipe ging. Oder zum Schwarzmarkt. Irgendetwas. Nur noch länger im selben Raum/Haus konnte sie wirklich nicht bleiben.
Sie besah sich mit einem schiefen Blick im Spiegel. Hatte doch gar nicht darauf geachtet, dass sie sich so angezogen hatte. Schwarzer Minirock und dunkelrotes Bandeau Top. Dazu schwarze High Heel. Ich halte mich ja gerade selbst für verrückt. Sie grinste und warf sich einen Mantel über, ehe sie die Tür öffnete.

Len schlief friedlich auf dem Flur, saß dort, wurde morgens von einigen Leuten schief angestarrt – aber das machte nichts, denn er schlief ja, zufrieden vor sich hin, nur einmal wachte er kurz auf, denn er war zur Seite gerutscht und lag nun quer vor dem Eingang zu Zimmer Nr 007.

„Jeez…“, knurrte sie nur, als sie den Blonden vor der Tür liegen sah. „Aufwachen, Dornröschen.“, schallte ihr Stimmchen durch den Gang und sie piekte ihm mit den Absatz ein paar Mal in die Schulter. „Du riechst nach Sex. Hop aufstehen und waschen!“, forderte sie ihn weiter auf und fuhr in ihrer Tätigkeit mit dem Fuß unbeirrt fort.
Wenn er nicht gleich aufsteht, steige ich ihm drauf. Und das ist dann wirklich schmerzhaft., dachte sie sich und würde es garantiert durchziehen.

„Schrei nicht so, ich bin nicht hörgeschädigt!“, sagte Len mürrisch und setzte sich auf. Er rieb sich einmal über die Augen und blinzelte zu ihr auf. „Und piek mir nicht in die Schulter…“ Schließlich stand er auf und streckte sich ein wenig. Es gibt schönere Orte, um zu schlafen… Die müssen mich alle für einen besoffenen, Obdachlosen gehalten haben…
„Tue ich? Oh mein Gott, ich wurde vergewaltigt - Ausrede :D -… Hoffentlich war’s kein Kerl… Aber da mir mein Arsch nicht wehtut, ist alles okay.“ Len schob sie zur Seite und ging an ihr vorbei in das Zimmer.
„Und dir wünsche ich viel Spaß, Herr General“, rief er noch über die Schulter und verschwand im Badezimmer, um sich fein-fein ein Bad einzulassen. Wenn man in den Genuss kommen konnte, dann sollte man es auch tun, nicht wahr? ♥
Ich brauche eine Waschmaschine… Vielleicht sollte ich ein entferntes Haus mal eben betreten… Die Familie knebeln… und meine Wäsche waschen!
Aber eine Sache hatte das Ganze. Yoko war endlich wieder Yoko!