Gassengewirr

"Achso..", sagte sie und musterte die Frau. Keine Standartausrüstung? Das konnte die Kunoichi nicht richtig glauben. War das möglich, das ein Shinobi ohne seine Standartausrüstung aus dem Haus ging?
Und da fiel ihr auf, was sie eben aufgeschnappt hatte! Irgendein Element, das war es wohl, was sie angewandt hatte und das Rina zuerst äusserst verwirrt hatte.
"Hyouton?", wiederholte sie und versuchte dabei möglichst einen neutralen Tonfall anzuschlagen. Die Frau sollte nicht merken, das sie eigentlich absolut keine Ahnung hatte, wovon sie sprach. Wie war noch gleich ihr Name? Ku... Ke... Kaori!
Unschlüssig sah sich Rina um. Was nun? Sie sollte sich endlich beeilen und einkaufen gehen, ihr Bruder wartete mit Sicherheit schon auf sie, immerhin hatte sie das Knobeln verloren. Allein der Gedanke daran liess sie genervt aufstöhnen. Wieso verlor sie eigentlich immer dieses verdammte Spiel? Vielleicht sollte die Kunoichi mal darüber nachdenken, auf ein anderes umzusteigen. Eines, das ihr mehr Glück brachte. Eines, das sie beherrschte... Nun, knobeln beherrschte sie ja, aber sie hatte in solchen Dingen einfach kein Glück, das war der Haken.
Rina gefielen die vielen Waffen, die diese Kaori bei sich trug und irgendwie kam sie nicht drum herum diese immer wieder anzustarren. Sie und ihre Waffen. Eines Tages würde sie auch solch tolle Waffen besitzten. Ihre derzeitigen entsprachen bloss den Standartausrüstungen. Langweiliges Zeug, mit dem es sich zwar anständig kämpfen liess, aber mehr war da auch nicht dabei. Sie strich sich gedankenabwesend eine Strähne hinter ihr Ohr und blickte mit ihren rehbraunen Augen die Gasse entlang, aus der sie gekommen war. Vielleicht sollte sie einfach wieder zurück? Auf noch so einen Penner wollte sie nicht treffen! Gut, er war durchaus ein guter Trainingspartner und der Kampf eben hatte sie mit Sicherheit auch auf eine Art und Weise weitergebracht, aber der Gestank...! Nein, da nahm sie doch lieber mit Gegner vorlieb, die sauber waren und zumindest nach nichts riechen würden.
"Ich geh dann.", sagte sie plötzlich wie aus der Pistole geschossen, "Ich muss dringend einkaufen. Wie auch immer... auf wiedersehen, Kaori-san.", dass sie sie wiedersehen würde, bezweifelte Rina jedoch, denn auch wenn sie in dem selben Dorf lebten, kannte Rina die wenigsten Leute wirklich. Kumogakure war gross, so gross, das man sich in einem dreckigen Viertel in engen Gassen verlaufen konnte!
Ihre genervte Stimmung kam zurück. Der Kampf war vorbei und ihre Sinne kehrten zur Normalität zurück. Ihre typisch trotzige Art kehrte zurück und spiegelte sich auch auf ihren Gesichtszügen wieder. Rina war zwar sehr emotional, aber sie fand schnell wieder zu sich selbst zurück.
Ohne ein weiteres Wort wandte sich Rina um und ging einfach irgendeine Gasse entlang. Sie entschied, dass sie später zurückkehren würde, sobald Kaori weg war. Solange diese Frau jedoch hier war und ihr zuschauen konnte, würde sie sich nicht die Blösse geben und den gleichen Weg wieder zurückgehen. Das wäre peinlich... Das wäre ja zu schön! Nein, die Freue würde sie keinen machen. Dafür war sie viel zu stolz.

„Ja“, machte Kaori noch bekräftigend, bevor sie sich auf den Weg zu dem Geweih machte. Genauer: zu den Überresten des Geweihs. Als sie nah genug war, um Einzelheiten zu erkennen, begann ihr rechtes Augenlid zu zucken und überwand die letzte Distanz mit nur zwei langen Schritten, um sich dann wehleidig davor in den Staub der dreckigen Straßen zu werfen, ein ‚Oh Gott, nein!‘ wimmernd. Wenn es um Geld ging, konnte die Tanemura eben jeglichen Stolz herunterschlucken und zu einer weinerlichen Memme werden. Geld war wichtig! Zwar nicht unbedingt, wenn man in der Natur streunte, aber in Kumogakure hatte man Ansehen, wenn man Geld besaß. Eigentlich hatte man das überall. Außerdem konnte man sich überall so schöne Sachen kaufen! Klamotten! Haarpflegeprodukte! Man konnte zur Maniküre und all solche Dinge! Außerdem wollte sie heute doch so gerne zu diesem Buffet gehen. Da hätte sie so viel essen können, wie sie wollte. Das war jetzt alles hinfällig. Und das nur wegen dem Kind. A-aber das machte nichts. Sie selbst war ja auch nie besser gewesen. Rina hatte es ja nicht gewollt. Sie konnte ja nichts dafür, dass Kaori sich für viel zu gut befand, als dass sie zum Handeln mit Kunai und Shuriken aus dem Haus ging.
„Hyouton“, wiederholte Kaori leise, während sie die drei Teile, in die das Geweih zersplittert war, aufsammelte und nun auf den Armen trug, wie ein verletztes Tier, das man zum Arzt bringen wollte. Noch immer sah sie relativ geknickt aus, aber weiterhin galt: Es war ihre eigene Dummheit gewesen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie das Mädchen abwechselnd ihr Katana, den Köcher und den Bogen anstarrte. Einen Moment schwieg sie, war dann versucht, etwas zu sagen, schloss den Mund aber wieder. Solange sie nicht fragte, würde Kaori auch keine ungewollte Antwort oder Erklärung geben. Das war verschwendeter Atem. Einen Moment starrte die Jonin noch zu Rina herüber, dann blinzelte sie und nickte. Wenn sie gehen wollte, sollte sie das nur tun. Zumal sie ja noch etwas zu erledigen hatte. „Viel Spaß, Rina“, sagte sie und lächelte. „Lass dich nicht von den Pennern erwischen.“ Einmal zwinkerte sie ihr zu und dann drehte sie auf dem Absatz um, damit sie wieder in die Richtung marschieren konnte, aus der sie gekommen war, denn was sollte sie hier noch, wenn sie eh nichts wirklich Handelbares hatte? Die Innereien, klar… Aber die waren nur Notfalllösung gewesen und wahrscheinlich hätten die eh bald in einer der vielen hier stehenden Müllcontainern gelandet, weil sich keiner dafür interessierte. Alles eine Verschwendung von Zeit und Material…

Sie war schon einige Schritte gegangen, als Rina hinter sich die Stimme Kaoris vernahm. Sie wünschte ihr viel Spass und meinte, sie solle sich nicht von den Pennern erwischen lassen. Diese Worte brachten das Mädchen unwillkürlich zum schmunzeln.
Sie blieb stehen und schaute über ihre Schulter zurück zu Kaori, ein keckes Grinsen im Gesicht.
"Die sollen bloss kommen! Ich nehms auch mit dem Nächsten auf.", sagte sie selbstbewusst. Kurz fiel ihr Blick auf das zerbrochene Geweih. Das hatte sie nicht gewollt! Ausserdem hatte sie nicht einmal mitbekommen, dass das Ding überhaupt kaputt gegangen war und es tat Rina leid, immerhin war es doch mehr oder weniger ihre Schuld... Auch wenn weiss Gott Niemand von dieser Frau verlangt hatte, dass sie ausgerechnet das Geweih werfen sollte und nicht einen Pfeil, ihren Bogen, oder ihr Schwert.
Kurz dachte die kleine Kunoichi nach. Hätte sie irgendeine Möglichkeit das wieder bei ihr gut zu machen? Bestimmt gab es da irgendetwas! Aber was? Ihr fiel nichts ein. Ausserdem kannte sie diese Frau kaum und wenn sie ihr nie wieder über den Weg laufen würde? Wie könnte sie dass dann wieder gut machen? Gar nie...
"Tut mir übrigens leid wegen dem Geweih...", weitere Worte dafür fand sie nicht. Sie mochte es nicht, sich zu entschuldiegen, tat es jedoch, wenn es die Situation erforderte. Immerhin war sie kein Unmensch! Sie hatte ganz einfach ihre eigene Ansicht der Dinge. Manche nannten sie verkehrt, einige verrückt, wenige gestört, sie fand sie absolut richtig.
Rina lächelte ebenfalls, winkte Kaori kurz und wandte sich dann wieder ab. Ihr Pferdeschwanz schwang im Takt ihres Schrittes hin und her, während sie sich von der Frau mit dem kaputten Geweih entfernte.
Innerlich seufzte die Kazama. Das war ein Tag! Dabei wollte sie nur kurz um die Ecke was einkaufeng ehen. Ihr Bruder würde staunen, wenn sie wieder Zuhause war. Sie hatte gegen einen Penner gekämpft! Sie stutzte. Irgendwie klang das ziemlich scheisse. Penner... Alleine das Wort übte schon eine schlechte Wirkung aus, wenn es darum ging, dass sich Rina mit etwas Ruhm bekleckert hatte. Nein, das Wort 'Penner' würde sie Mal schön unter den Tisch fallen lassen. Sie würde zwar nicht auf die Idee kommen ihren Bruder anzulügen in solchen Dingen - denn was brachte ihr eine Lüge? Nur falsche Anerkennung und falsche Anerkennung war nichts wert - aber sie konnte ja das ein oder andere Detail ausser Acht lassen und die Wahrheit um eine Spur verdrehen.
Als sie um eine Ecke bog, blieb sie stehen. Sackgasse! "Na toll...", murmelte die Kazama genervt. Das ganze bereitete ihr schon wieder Kopfschmerzen. Wie sie es hasste! Nie lief etwas gut, nie hatte sie Glück. Das Pech schien mit ihr Verheiratet zu sein.
Mit einem Schmollmund im Gesicht drehte sie sich um. Und nun? Rina tippte sich beiläufig auf die Unterlippe und zerbrach sich kurz den Kopf darüber... Vielleicht...? Ja! Warum nicht? Sie konnte doch einfach Kaori aus diesem Irrgarten folgen. Die Frau musste davon ja nichts mitbekommen, oder?
Von ihrer Idee überzeugt lienste sie also um die Ecke um zu sehen, ob Kaori noch da war. Keine Spur. Sie musste bereits gegangen sein. Weit konnte sie aber noch nicht sein!
Mit eiligen, aber dennoch sehr bedachten Schritten lief sie die Gasse entlang und fand Kaori hinter der nächsten Ecke. Bingo!
Sie würde ihr einfach nachschleichen. Sobald sie etwas erkannte, woran sie sich orientieren konnte, würde sie den Weg dann auch selbst finden... Aber bis sie etwas fand, das ihr den Weg weisen konnte, würde sie sich an Kaori halten. Mit Sicherheit wusste die Frau wo der Ausgang lang.

tbc: Einfach alles Kaori nach. <3

Trotz des Schlamassels, das sich gerade zerbrochen und vollkommen wertlos in ihren Armen befand und dort träge vor sich hinbaumelte, musste Kaori grinsen. Sie mochte das Kind – oh Wunder – immer noch. Dass Rina den Penner nicht auch allein fertig gemacht hätte, daran zweifelte sie ja überhaupt nicht. Aber trotzdem sollte sie sich schon ein wenig davor in Acht nehmen, nicht allzu oft in solche Situationen zu geraten. Wie gesagt, sie selbst hatte von Anfang an darauf geachtet, dass auch jeder wusste, wie knallhart sie mit denen umgehen konnte, die meinten, sich ihr in den Weg zu stellen und ihren Aufenthalt in den schmutzigen Gassen noch zu verlängern. Es war toll, gefürchtet unter den Gefürchteten zu sein. Jedenfalls ihrer Meinung nach war das sehr komfortabel – außerdem bekam man so immer seriöse Angebote auf das, mit dem man handelte und aufs Feilschen ließen sich auch nur die Mutigsten ein.
„Oh, mach dir nichts draus. Das kann man bestimmt kleben“, meinte sie noch mit einem äußerst verzerrten Grinsen, bevor sie sich mehr oder minder – eher minder – zielstrebig auf den Heimweg machte.
Es war ein halbes Labyrinth, dieses Schattenviertel von Kumogakure. Den rechten Weg hier aus den Augen zu verlieren – das konnte einem sowohl wörtlich, als auch sinnbildlich gesprochen passieren, auch, wenn man ein sonst so braves Kind gewesen war. Hier hausten wirklich nur die Kreaturen, die die normale Bürgerschaft bereits abgestoßen hatte… Die erkrankten Partien eines Organismus, der erkannt hatte, dass es mehr Sinn hatte, sich vom schwachen Teil zu trennen, anstatt sich von ihm in den Tod zerren zu lassen… Nun ja, zumindest hatten sie ausreichend Mülltonnen, um den Großteil des anfallenden Abfalls aufzufangen. Mit einem Seufzen warf Kaori die Überreste des Geweihs in einen dieser Container und klopfte sich dann Hände und Kleidung ein wenig ab, da sie sich ja würdelos in den Dreck geschmissen hatte. Dann öffnete sie auch ihre Tasche und warf die Tupperdosen mit den Hirschinnereien hinterher. Was soll’s. Das Geweih war eh nicht das Prächtigste gewesen. Allerdings hatte sie auch gefühlte hundert Jahre gebraucht, um den jungen, fidelen Hirsch zur Strecke zu bringen. Es war doch zum Mäusemelken! In einer solchen, mürrischen Stimmung – sie hatte aus Wut gerade ausversehen eine vorbeirennende Straßenkatze eingefroren und taute sie hastig wieder auf, streichelte sie erschrocken mit den immer wieder wie ein Mantra wiederholten Worten ‚Tut mir leid! Tut mir leid! Vergib mir, kleines Kuschelkätzchen, vergib mir!‘ – würde man sie auch garantiert nicht in das feine Restaurant lassen. Nun. Dann eben sportlich nehmen und neu auf die Jagd gehen! ♥
Da sie nun ein Ziel hatte, legte sie auch deutlich an Tempo zu. Ein bisschen Urlaub hatte sie ja noch, der Raikage würde bestimmt nicht merken, wo er ja so weit weg war, dass sie ein wenig überzog.

[OW: Tor]